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  • AutorenbildDzeneta Schitton

Frühwarnrisikosysteme in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben?


Es ist klar, dass die Weltwirtschaft auf eine datengesteuerte und strategische Entscheidungsfindung umstellt und dass der Einsatz fortschrittlicher Predictive Analytics Methoden in vielen Branchen zum Standard wird, um Risiken rechtzeitig zu erkennen und gleichzeitig den Wettbewerbsvorteil zu wahren. Das zeichnet sich deutlich ab und es ist aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, da es den neuesten Entwicklungen in der Wirtschafts- und Technologiewelt folgt.


Die Notwendigkeit und der Nutzen von Risikofrüherkennungssystemen wurde jedoch schon vor langer Zeit von Experten und teilweise auch vom Gesetzgeber erkannt, lange bevor wir solche Computer-Rechenleistungen und technische Entwicklungen wie heute hatten. Hier ist Deutschland ein großartiges Beispiel.


Aus den Erfahrungen mit mehreren großen Unternehmen in den 90er Jahren (z.B. Metallgesellschaft AG oder die Schneider Group) , wobei einige davon zu Insolvenzen führten, hat der deutsche Gesetzgeber den Vorteil und die Notwendigkeit der Einführung von Risikofrüherkennungssystemen als Verpflichtung sowohl für Börsengesellschaften als auch für andere Rechtsformen erkannt.




Einführung eines Frühwarnrisikosystems in der Gesetzgebung


Zur Stärkung der im Aktiengesetz von 1965 festgelegten Pflichten der Geschäftsführung und anderer Entscheidungsorgane hat der Gesetzgeber das neue - KonTraG (dt. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) erlassen. Dieses Gesetz regelt näher die Pflichten von Entscheidungsträgern, Aufsichtsräten und Wirtschaftsprüfern, um ein höheres Maß an Transparenz und Kontrolle im Unternehmensbereich zu erreichen.


Ziel des KonTraG war es, die Corporate Governance in deutschen Unternehmen zu verbessern. Daher wurden in Folge dieses Gesetzes eine Reihe von Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) und des Aktiengesetzes (AktG) geändert und erweitert, insbesondere was die Haftung des Vorstands, des Aufsichtsrats sowie der Wirtschaftsprüfer angeht.



Kern der neuen Gesetzesänderung ist daher eine Regelung, die die Unternehmensleitung zwingt, ein unternehmensweites Risikofrüherkennungssystem einzuführen und zu betreiben sowie Aussagen zu Risiken und der Risikostruktur des Unternehmens im Lagebericht des Jahresabschlusses der Gesellschaft zu veröffentlichen.



Die Verpflichtung zur Einführung eines Frühwarnsystems wird daher den Vorständen als Teil von Artikel 91 Absatz 2 AktG auferlegt. Darin wird klargestellt, dass:


Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.


Solche „den Fortbestand des Unternehmens gefährdenden Entwicklungen“ werden in Fachbereichen meist als Ergebnis der kombinierten Wirkung von Einzelrisiken definiert. Dies wiederum verpflichtet Unternehmen zu einer regelmäßigen Risikoanalyse und vor allem zu einer strukturierten Risikoaggregation.



Prüfungsstandards nur erster Schritt zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen?


Wirtschaftsprüfer sind gemäß § 317 Abs. 4 Handelsgesetzbuch (HGB) verpflichtet, die Einhaltung der neuen Vorschriften, insbesondere im Hinblick auf das Bestehen und den Betrieb eines Risikomanagementsystems und die damit verbundenen Maßnahmen im Bereich der ​internen Revision zu prüfen und macht diese damit zum Bestandteil des Audit- Berichts.


In diesem Zusammenhang wurde im Jahr 2020 der IDW-Prüfungsstandard 340 in der neuen Fassung ( IDW PS 340 n.F.) verabschiedet. Dieser konzentriert sich auf den Artikel 91 (2) AktG, um sicherzustellen, dass die Angemessenheit der Risikomanagementmaßnahmen im Rahmen der Bilanzprüfungen überprüft wird .


Es ist positiv hervor zu heben, dass nach so vielen Jahren das Thema Frühwarnrisikosystem sowohl in der deutschen Gesetzgebung als auch in den Prüfungsstandards der Wirtschaftsprüfer detaillierter abgebildet ist und somit Einzug in die entsprechenden Bilanzprüfungen findet.



 


Allerdings, folgt man der Diskussion von Experten zu diesem Thema, sind hierbei noch einige Überlegungen zu beachten:

  • IDW PS 340 Prüfungsstandards entsprechen nicht unbedingt den gesamtrechtlichen Verpflichtungen von Unternehmen und ihren Entscheidungsträgern nach den jeweiligen Gesetzen und


  • der positive Prüfungsvermerk des Abschlussprüfers garantiert nicht, dass die gesetzlichen Anforderungen auch tatsächlich erfüllt sind.


  • Die Prüfungsstandards beziehen sich nur auf Artikel 91 Abs. 2 AktG, nicht aber auch auf die sonstigen gesetzlichen, in diesem Zusammenhang wichtigen, Vorschriften wie etwa Artikel 93 AktG, der wiederum Bestandteil eines anderen Prüfungsgrundsatzes (DIIR-Prüfungsgrundsatz Nr. 2) ist, oder das neugeschaffene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht in Kraft war.

 


Vorstände und Aufsichtsräte jedes einzelnen Unternehmens müssen sich also vergewissern, dass die umgesetzten Maßnahmen für ihre Branche richtig sind und das Ziel des Gesetzgebers mit den Vorgaben des Frühwarnsystems auch tatsächlich erreicht werden.


Die gesetzlichen Anforderungen gehen teilweise über die Prüfungs-Verpflichtungen der Wirtschaftsprüfer hinaus.




Und was bedeutet das alles für deutsche Immobilienunternehmen?



Es gilt wie für jede andere Branche auch, dass die Immobilienwirtschaft einen allgemeinen Expertenkonsens erzielen muss, welche geeigneten Maßnahmen und Instrumente in den Risikomanagementsystemen implementiert werden müssen, um den Standards der Wirtschaftsprüfer sowie den weitergehenden gesetzlichen Vorschriften zu entsprechen .


Ziel muß es sein, dass das Frühwarnsystem in der Praxis auch tatsächlich eine gewichtige Rolle spielt und Unternehmen in die Lage versetzt, Risiken rechtzeitig vorherzusehen, darauf zu reagieren, um etwaige negative Folgen zu vermeiden bzw. sich der möglichen Gefahren auch bewusst werden. Idealerweise sollte das Unternehmen das Risikomanagementsystem als strategisches Instrument implementieren.


Ausgangslage der Immobilienwirtschaft, insbesondere im Bereich des Risikomanagements, ist jedoch, daß dieser Geschäftsbereich zu den „Slow Industries“ gehört. Die meisten Unternehmen der Branche befinden sich in puncto Risiko immer noch auf dem Stand Best Case/ Worst Case - Sensitivitätsanalysen, die sich meist auf qualitative Risikobewertungen stützt, während quantitative Methoden sehr begrenzt zum Einsatz kommen bzw. Risikoaggregation, Risikotragfähigkeit und Zukunftsprojektionen -wenn überhaupt- nur sehr vorsichtig zum Zug kommen.



 



Wir von D-Darks freuen uns sehr, dass die prominentesten deutschen Fachleute auf diesem Gebiet, wie etwa Werner Gleissner oder Cay Oetner, der Meinung sind, dass angemessene Risikomaßnahmen im Immobiliensektor ohne Zweifel stochastische Modellierung und Monte-Carlo-Simulationen beinhalten müssen, die einen großen Teil unserer Smart Predictive Technology-Lösungen ausmachen.


Die primäre Forderung des IDW PS 340 n.F. nach einer korrekten Risikoaggregation ist erneut ein deutliches Zeichen für die Einführung einer vollständig integrierten Finanzplanung unter Einbindung einer stochastischen Modellierung der Risiken. Diese Modellierung ist über eine Monte-Carlo-Simulation der Einzelobjekte und anschließender Aggregation auf Portfolio bzw. Unternehmensebene zu leisten, um den Gesamtrisikoumfang aggregiert zu bestimmen. Besonders wichtig ist in diesem Kontext der Hinweis, dass die Bestandgefährdung in der Regel durch Kombinationseffekte von verschiedenen Risiken eintritt (vgl. Gleißner, 2017a).


Dies gilt insbesondere für Immobilienportfolios, da die Cash-Risikofaktoren selbst vermeintlich gut diversifizierter Portfolios oft stark korreliert sind (vgl. Oertel et al., 2019).


 


Mit der Implementierung von quantitativen Predictive Analytics Systemen mit Fokus auf finanzielle Risikoparameter wie Liquidität, Eigenkapital, Debt Covenants u.ä. sind die Immobiliengesellschaften sicher auf einem guten Weg zu effizienten Risikomanagementsystemen, die es ihnen ermöglichen, nicht nur rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, sondern auch Risikomanagementsysteme als strategische Entscheidungshilfe zu nutzen.


Zusammenfassung


Insgesamt sind wir der Meinung, dass auf Basis der speziell in den letzten Jahren zur Verfügung stehenden technischen Werkzeuge eine Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen nicht nur möglich ist, sondern der Aufbau eines Management Informations Systems weit darüber hinaus gehen kann, um den neuesten Risikomanagementstandards gerecht zu werden.


Wir sind in der Lage, verschiedenste Arten von Informationen zu quantifizieren und technische Methoden zu finden, die uns helfen, nicht nur mit den Zahlen zu arbeiten, sondern auch "weiche Informationen" wie Expertenpositionen und Marktstimmungen in diese Prognosen zu integrieren. Dies macht es möglich, das Beste aus beiden Welten zu generieren und durch den Einsatz von maßgeschneiderten, von Branchenexperten erstellten, Algorithmen, die praktischen Herausforderungen von Immobilienprofis in ihrem täglichen Geschäft zu berücksichtigen.


Advanced Predictive Analytics Methoden sind gekommen, um zu bleiben. Früher oder später werden sich Unternehmen auf diese Art des Risikomanagements einstellen müssen, um zumindest die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Dies erfordert jedenfalls eine neue Art des Denkens, einen neuen Zugang wie man Märkte und deren Dynamiken sieht bzw. wie Portfolios davon beeinflusst werden. Warum also nur bei den gesetzlichen Vorgaben bleiben?



Die Möglichkeiten, die jene neuen Technologien den Entscheidungsträgern bieten, sind praktisch endlos. Vorstände und Aufsichtsräte haben damit die Möglichkeit, eine neue Form des strategischen Denkens zu übernehmen, wobei Risikoprozesse automatisiert ablaufen und Analysen datenbasiert, aber vor allem objektiviert aufbereitet werden können. Die Ergebnisse sind demnach auch rasch und einfach verfügbar. Die Integration von Portfolios und Märkten in einer einzigen, einfach zu bedienenden Oberfläche ist der nächste Schritt eines integrativen Risiko Workflows in einer technologisch dominierten Welt.


Sich von endlos langen Listenbearbeitungen und nicht zielgerichteten Analysen zu trennen sowie neue Technologien und Automatisierungsprozesse zu übernehmen, scheint gerade für eine eher traditionelle Branche wie eben die Immobilienindustrie machmal sehr schwierig. Andererseits sehen wir im Bereich Asset Management sowie im IoT - Bereich, daß die Immobilienbranche sehr wohl bereit ist, neue technische Wege zu gehen und diese Innovationskraft auch in anderen, essentiellen Bereichen, wie etwa im Risikomanagement, mitnehmen wird.


Die Zeit ist gekommen, in der jedes Unternehmen in der Lage sein muss, Markt- und Portfoliodynamiken sowohl in der Gegenwart als auch in deren zukünftigen Entwicklung zu überblicken - Immobilienunternehmen sind dabei keine Ausnahme!


Einige von ihnen sind bereits auf einem guten Weg, warum also nicht die ganze Branche folgen sehen?


So logisch dieser nächste Schritt auch klingen mag, die Umsetzung dieser neuen Risikomanagementsysteme hat allerdings auch seine Herausforderungen. Diese kommen von verschiedenen Aspekten - rechtlich, geschäftlich und technisch.


Wenn ich als Jurist spreche... Gesetzliche Regelungen sind immer eine hervorragende Gelegenheit und ein guter Ausgangspunkt, um über die Notwendigkeit von Veränderungen nachzudenken. Es ist dieses Anstossen eines "Change of Mindset" in Unternehmen, um etwa Portfolio Risiken besser einfangen zu können. Mehr zu diesem Thema folgt!











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